Verhalten der Dan-Träger

 

von Burkhard Küfner

 

Anlass dieses Vortrags

 

Die Budo-Etikette schreibt für verschiedene Situationen ganz bestimmte Verhaltensweisen vor, die sich im Verlaufe einiger Jahrtausende gebildet haben. Diese Verhaltensweisen sind von allen Schülern eines Meisters einzuhalten. Zu den „Schülern“ zählen nicht nur Budotreibende mit einem Kyu-Grad, sondern auch dem Meister untergeordnete Dan-Träger.

Speziell bei Dan-Trägern ist die Erstellung von Verhaltensnormen nicht ganz so einfach, weil bei den üblichen Beschreibungen der Dan-Grade sehr viel von geistigen Inhalten, erwarteten Reife-Graden usw. geschrieben wird. Diese von Schwarzgurt-Trägern erwarteten Verhalten bzgl. ihrer geistigen Entwicklung dann aber in einen Verhaltens-Kodex umzumünzen erweist sich als sehr problematisch. Es stellt sich nämlich die Frage, wie weit die Entwicklung der mentalen Reife beim Meister selbst vorausgesetzt werden kann und wie reproduzierbar und gerecht die Reife eines anderen Menschen überhaupt beurteilt werden kann.

Aber so ganz aussichtslos war das geplante Unterfangen dann doch nicht, weil ich zu meiner Überraschung bei den Unterlagen zur Trainer-C-Ausbildung fündig wurde! Walter Knör hat sich als damaliger Landeslehrreferent schon sehr viele und tiefgründige Gedanken darüber gemacht, welche Anforderungen an einen Übungsleiter gestellt werden und welchen Erwartungen er gerecht werden muss bzw. sollte. Davon ausgehend konnte ich dann eine Liste von Verhaltens-Erwartungen an Schüler und Dan-Träger im KSV Unterwössen erstellen.

 

„Klassische“ Budo-Etikette

Jeder Budoka dürfte die Inhalte der klassischen Etikette kennen und mit ihnen vertraut sein. Darin sind folgende Punkte definitiv festgelegt:

•      die Kleiderordnung

•      die Hygiene

•      das Verhalten im Dojo

•      das Ritual des An- und Abgrüßens

•      das Verhalten im Training

•      Das Verhalten bei Prüfungen

Diese „klassischen“ Vorschriften beschäftigen sich also hauptsächlich mit dem Verhalten der Budokas generell und praktisch nur am Rande mit den Erwartungen, die man an einen Dan-Träger stellt. Sie sind auch den JJVB-Webseiten zu entnehmen.

 

„Erweiterte“ Budo-Etikette

Während die „klassische“ Etikette wie oben beschrieben hauptsächlich die Anfänger betrifft, die mit den fernöstlichen Gepflogenheiten noch nicht so vertraut sind, existiert natürlich auch ein Ehren­kodex für Übungsleiter. Dieser Kodex soll sicherstellen, dass sich auch frischgebackene ÜL ihren Schülern gegenüber korrekt verhalten und die neue Position nicht zur Selbstdarstellung missbraucht wird.

Der untenstehende Text ist dem Skript „Fachübungsleiter C Ausbildung“ von Walter Knör ent­nommen, der sie damals als Landeslehrreferent verfasst hat. Ich habe sie lediglich leicht erweitert, um auch dem mentalen Aspekt der Budo-Ausbildung Rechnung zu tragen.

 

Grundsätze der Etikette

Höflichkeit, Demut und Respekt sind die Grundlage der Etikette und werden durch den Gruß (Rei) symbolisiert. Die Etikette ist im Ju-Jutsu nicht nur eine äußere Form, sondern eine innere Haltung und damit schließlich der Weg zur inneren Ruhe und Ausgeglichenheit.

Die Werte des Budo und damit des Ju-Jutsu liegen neben dem Erlernen einer Vielzahl von Techni­ken auch in der strengen Etikette dieser Sportart begründet. Nur wenn Technik und Grundsätze der Etikette von der Gemeinschaft eines Dojo mit Leben erfüllt werden, können die Schüler des Ju-Jutsu den eigentlichen und wahren Wert des Budo erkennen. Es ist die Aufgabe und Pflicht, im besonderen der hohen Dan-Träger, dafür zu sorgen, dass auch in einem der heutigen Zeit ange­passten modernen Ju-Jutsu der wertvolle Geist des traditionellen Budo erhalten bleibt.

 

Verhalten auf der Matte

  • Der Ju-Jutsuka trainiert immer ruhig, konzentriert, respektvoll und achtsam.
  • Eine ordentliche Haltung (Stand, Fersen- oder Schneidersitz) auf der Matte ist selbst­verständlich.
  • Höher Graduierte sind stets für niedriger Graduierte verantwortlich.
  • Die Sicherheit und Unversehrtheit (physisch wie psychisch!) hat stets Vorrang.
  • Bei Würfen ist auf Sicherung des zu Werfenden, aber auch auf Eigensicherung zu achten.
  • Bei Hebeln und Würgern ist rechtzeitig abzuschlagen. Ein Abschlagen des Partners beendet sofort die angesetzte Technik!
  • Die Trainingspartner werden mit Respekt behandelt. Es wird stets fair trainiert, ohne unsportliche Techniken oder Hintergedanken.
  • Der Ju-Jutsuka wahrt stets seine Selbstbeherrschung. Er tritt bescheiden auf und ist durch sein Verhalten für andere ein Vorbild.
  • Während des Trainings sind Gespräche zu unterlassen. Um sich zu verständigen, genügen leise und kurze Erklärungen.
  • Muss der Ju-Jutsuka die Matte oder das Dojo verlassen, so hat er sich stets beim jeweiligen Lehrer abzumelden.
  • Erklärungen werden durch dreimaliges in die Hände klatschen des Lehrers angekündigt. Die Schüler sammeln sich ruhig und unverzüglich im Halbkreis um den Lehrer.
  • Vor und nach Trainings- oder Lehrgangspausen nehmen Lehrer und Schüler Aufstellung zueinander ein und grüßen im Stand oder Sitzen mit Rei.

 

Obige Verhaltensregeln gelten für alle Ju-Jutsuka ohne Berücksichtigung ihrer Graduierung! Die folgenden Regeln gelten speziell für Ju-Jutsuka, die als Trainer höhere Verantwortung übernehmen müssen. (BK)

 

Die Position des Übungsleiters

An den ÜL richten die verschiedenen Parteien unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich seines Verhaltens. Der ÜL soll alle diese Erwartungen erfüllen. Er muss sich die Kenntnisse und Fertig­keiten in seiner Ausbildung aneignen und das Ganze in der Praxis umsetzen. Dabei muss er zum Teil liebgewonnene und eingeschliffene Verhaltensweisen im Sport aufgeben und sich teilweise zwingen, etwas neu oder anders zu machen.

 

  1. Die Trainer respektieren die Würde der Sportler, die unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialer und ethnischer Herkunft, Weltanschauung, Religion, politischer Überzeugung oder wirtschaftlicher Stellung gleich und fair behandelt werden.
  2. Die Trainer bemühen sich, die Anforderungen des Sports im Training mit den Belastungen des sozialen Umfelds, insbesondere von Familie, Schule, Ausbildung und Beruf, in Einklang zu bringen.
  3. Die Trainer bemühen sich um ein pädagogisch verantwortliches Handeln:
  • Sie geben an die zu betreuenden Sportler alle wichtigen Informationen zur Entwicklung und Optimierung ihrer Leistung weiter.
  • Sie beziehen die Sportler in Entscheidungen ein, die diese persönlich betreffen.
  • Sie berücksichtigen bei Minderjährigen immer auch die Interessen der Erziehungs-berechtigen.
  • Sie fördern die Selbstbestimmung der ihnen anvertrauten Sportler.
  • Sie bemühen sich bei Konflikten um offene, gerechte und humane Lösungen.
  • Sie wenden keine Gewalt gegenüber den ihnen anvertrauten Schülern an, insbesondere keine sexuelle Gewalt.
  • Sie erziehen zur Eigenverantwortlichkeit und zur Selbständigkeit der Schüler, auch im Hinblick auf deren späteres Leben.

     4. Trainer erziehen ihre Sportler darüber hinaus

  • zu sozialem Verhalten in der Trainingsgemeinschaft.
  • zu fairem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dojo und zum nötigen Respekt gegenüber allen Personen und Tieren.
  • zum verantwortlichen Umgang mit der Natur und der Mitwelt.

    5. Das Interesse der Ju-Jutsuka, ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und ihr Glück stehen
        über den Interessen und den Erfolgszielen der Trainer sowie der Sportorganisationen.
        Alle Trainingsmaßnahmen sollen dem Alter, der Erfahrung sowie dem aktuellen physischen
        und psychischen Zustand der Sportler entsprechen.

 

    6. Die Trainer verpflichten sich, den Gebrauch verbotener Mittel (Doping) zu unterbinden
        und Suchtgefahren (Drogen-, Nikotin- und Alkoholmissbrauch) vorzubeugen.Sie wirken
        durch gezielte Aufklärung und Wahrnehmung ihrer Vorbildfunktion negativen Auswüchsen   
        entgegenwirken.

 

Die 10 Gebote des Übungsleiters

  1. Es gibt keinen, der alles weiß und kann!
  2. Die Übungsteilnehmer kommen freiwillig ins Training, um zu lernen!
  3. Der Übungsleiter ist KEIN Diktator!
  4. Zufriedene Gesichter und steigende Teilnehmerzahlen zeigen dir, dass du auf dem richtigen Weg bist!
  5. Höre niemals auf zu lernen!
  6. Sei immer ehrlich!
  7. Zeige Nachsicht, wenn erforderlich Strenge!
  8. Verlange von anderen nichts, wozu du nicht selbst imstande bist!
  9. Du bist für die Teilnehmer da, nicht sie für dich!
  10. Vermittle dein Wissen!

 

Asiatische Weisheit: Bist du Lehrer, so darfst du erst recht nicht aufhören, Schüler zu sein.

 

Bedeutung der Dangrade (Beschreibungen von Werner Lind mit meinen Bemerkungen)

Aus den nachfolgenden Beschreibungen der Dangrade geht hervor, dass die Erwartungen in der Regel sehr theoretisch, ja geradezu philosophisch abgefasst sind. Sie stellen vor allem den Idealfall dar, der in der Praxis vermutlich eher selten anzutreffen sein wird. (BK)

 

1. Dan (Shodan)

Der erste Dangrad berechtigt zum Tragen des schwarzen Gürtels und ist der erste Schülergrad auf dem Weg. Diese Graduierung entspricht nicht, wie häufig angenommen, der Meisterschaft in einer Budodisziplin, denn sie bezeugt keinen Wegfortschritt, sondern lediglich ein in der Haltung sichtbar werdendes inneres Potential, dank dem der Wegunterricht möglich wird. Der 1. Dan sagt über einen Menschen, der ihn erreicht hat, dass er in der Lage ist, zu erkennen, dass hinter der körperlichen Übung ein Weg steht, dessen Meisterschaft zu Höherem befähigt als die bloße Technik. Die Mög­lichkeit, das zu erkennen, hat er sich in jahrelanger Suche nach Formperfektion in den Kyu-Stufen erworben. Nun liegt der Weg vor ihm. Doch er weiß nicht um das Wie dieses Weges, denn sein bisheriges Wissen ist nichts weiter als eine Vorahnung. Deshalb wird diese Stufe auch als „Grad des Suchenden“ bezeichnet. Noch ist kein Schritt getan, doch die Voraussetzung, dass das Fort­schreiten auf dem Weg beginnen kann, ist jetzt gegeben.

→ der Budoka mit dem 1. Dan ist also noch in der Formstufe „gefangen“ und es ist noch kein Fortschritt in der geistigen Vervollkommnung sichtbar! (BK)

 

2. Dan (Nidan)

Diese Graduierung erhält ein Übender der Kampfkünste, der „am Anfang des Weges“ steht. Sie unterscheidet sich von der ersten Dan-Graduierung dadurch, dass der Schüler nun die Bedingungen des Weges durch seine rechte Haltung verstanden hat und weiß, worauf es ankommt. Doch er hat sich noch nicht endgültig entschieden, den Weg mit allen Konsequenzen zu gehen. Er spürt die Anziehungskraft des Weges, doch die Hintertür zur Flucht ist noch offen. Er weiß noch nicht, ob er den Anforderungen des Weges wirklich gewachsen ist.

→ der Budoka mit dem 2. Dan sollte schon erkennen, dass es hinter der reinen Technik (Form) mehr gibt, was die Weiter-Entwicklung im Budo wie im Leben betrifft. (BK)

 

3. Dan (Sandan)

Der 3. Dan im Budo wird „Grad des anerkannten Wegschülers“ genannt. Er steht für jene Fort­schrittsstufe, auf der der Schüler unwiderruflich entschlossen ist, den Weg der Kampfkünste bis an sein Lebensende zu gehen. Während der Shodan die Voraussetzung entwickelt, den Weg der Kampfkünste gehen zu können, und der Nidan darüber hinaus erfahren hat, welches der Weg der Kampfkünste ist, befindet sich der Sandan auf einer Stufe, auf der es kein Zurück mehr gibt. Sowohl beim Shodan als auch beim Nidan besteht die Möglichkeit, dass er, aus welchen Gründen auch immer, den Weg der Kampfkünste verlassen wird. Der Sandan hingegen ist dieser Gefahr nicht mehr ausgesetzt. Der Meister erkennt ihn nun als echten Wegschüler an.

Diese Entscheidung trifft der Schüler nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen und bekundet sie nicht durch Worte, sondern durch seine Haltung. Der Sandan ist weder ein Verdienst noch ein zu erreichendes Niveau, sondern eine seit jeher bestehende Berufung im Menschen, die durch die rechte Haltung sichtbar wird. Für den Sandan gibt es keine Hindernisse mehr, die im Wege stehen. Auf dieser Stufe beginnt der Schüler seinen inneren Meister zu spüren, er ruft ihn an und bringt ihn zum Vorschein. Er weiß, dass es sein eigener Innerer Meister ist, der ihn zum Suchen veranlasst, der ihn drängt und nie mehr loslässt. Hier erreicht der Übende eine gewisse Unabhängigkeit von allen äußeren Umständen. Die Kunst verändert sich, die Beziehung zum Leibhaftigen Meister wird freier und daher intensiver und reiner. Gesetze und Regeln verlieren ihre Macht und werden durch die rechte innere Haltung gegenüber allen Dingen ersetzt. Erst dieses Niveau erlaubt den Eintritt in die Ha-Stufe. Nicht durch den Verstand, sondern allein durch die Haltung hat der Sandan seine Weg­richtung entschieden.

→ der Budoka mit dem 3. Dan sollte schon gelernt haben, seine Eitelkeiten, Selbstsucht und Ich-Bezogenheit als Hindernisse zur Reife zu erkennen. Unabdingbar ist für seine Entwicklung aber eine enge Beziehung zu einem Meister! (BK)

 

4. Dan (Yondan)

Der Yondan ist die vierte Graduierung im Dan-System. Es ist die Stufe des Experten in der Technik, des vollendeten Kämpfers. Mit diesem Niveau ist die Grenze der rein körperlichen Technik erreicht. Der Yondan weiß, dass er von nun an neue Wege gehen muss, um sich weiter zu verbessern. Die Kampfkünste sind für ihn mittlerweile zur Religion geworden, mit der er sich völlig identifiziert. Er verinnerlicht die geistigen Aspekte der Kunst, indem er sie im Dojo und im Alltag lebt. Auf dieser Stufe ist zum ersten Mal die Verbindung zwischen Kampfkunstphilosophie und Technik möglich. Der Yondan ist in der Lage, seinen Geist, seine Atmung und seinen Ki-Fluss bei der körperlichen Übung zu kontrollieren, mit der Technik zu verbinden und zu einer maximalen Wirkung zu entwickeln. Deshalb sucht er in allem, was er tut, weiterhin die innere Perfektion. Dort liegt der Schlüssel zur Meisterschaft.

Der Yondan weiß um die Bedeutung der inneren Vervollkommnung für den Fortschritt der äußeren Technik. Er hat jene Grenze erreicht, bis zu der technischer Fortschritt allein durch Körperübung möglich ist.

Auf dieser Stufe ändert sich sehr viel. Das Denken erhält einen anderen Inhalt, der Selbstumgang wird bewusster und die Übung eine andere. Das Training wird erst hier zur wahren Wegübung. Diese Art der Übung eröffnet neue Wege. Der Yondan ist die Vorstufe zur wahren Meisterschaft.

→ erst hier geht Training der reinen Formen über in ein tieferes Verständnis für die Zusammen­hänge der Techniken und die Verbindung zur korrekten Atemtechnik während der Ausführung. Er darf sich aber noch nicht Meister nennen (trotz perfekter Technikausführung), weil er gerade mal die Vorstufe erreicht hat. (BK)

 

5. Dan (Godan)

Den ersten Abschnitt der Meistergrade nennt man Kokoro. Ihm spricht man ein in der generellen Haltung sichtbar gewordenes reifes Bewusstsein zu. Dieser Abschnitt besteht aus dem 5. und 6. Dan. Der erste Grad dieses Wegabschnitts kann frühestens im Alter von 30 Jahren erreicht werden. Er setzt nicht nur eine konsequente Budo-Erfahrung, sondern auch Lebenserfahrung voraus. So kann ein Übender zwischen dem 30. und dem 42. Lebensjahr den 5. und 6. Dan erhalten, jeweils verbunden mit dem Titel Renshi. Die Renshi-Graduierungen sind selbständige Meistergrade, die die geistige Reife eines Menschen ausweisen. Sie bezeichnen die dafür notwendigen Formen der Selbstperfektion, vor allem die Überwindung der Selbstsucht.

→ ab hier ist der Budoka ein Meister, der seine Stilart eigenverantwortlich vertreten kann. (BK)

 

 

Chibana Choshin: okinawanischer Meister des Karate (1885 – 1969)

„Ein Mann der Ehre ist ein Mann, der Versprechen gibt und sie hält. Ein Mann, der Versprechen gibt und sie nicht hält, besitzt keinen Wert. Er befleckt den wertvollsten Besitz, der einem Menschen gegeben ist – die Ehre. Ein Kampfkunstmeister ist ein ehrenvoller Mann.“

 

Die Ausbildungsstufen Shu Ha Ri

Nach der üblichen Vorstellung geschieht die Ausbildung in den Kampfkünsten nach einem drei­stufigen System. Darin beschreiben die einzelnen Stufen die Wegfortschritte in mentaler Hinsicht dem Ziel der vollendeten geistigen Reife entgegen.

 

Shu     bedeutet „Gehorsam gegenüber den überlieferten Formen“.

Es ist nur eine Aufgabe des Übenden, die Technik zu meistern. Die andere ist es, die rechte Haltung zu suchen. Die rechte Haltung ist ein Resultat der Arbeit an sich selbst unter Aufsicht eines Meisters.

In dieser Definition wird deutlich, dass man die Grundtechniken erst sicher beherrschen muss und ohne nachzudenken anwenden kann, bevor man dazu übergehen kann, die verschiedensten Varianten auszutesten und seinen persönlichen Stil zu entwickeln (BK)

 

Ha       ist die zweite Stufe und bedeutet „Formfreiheit“. 

Der Übende beherrscht die Technik, doch nun muss er sich darum bemühen, zu seinem persön­lichen Stil zu finden.

Eine Technik zu beherrschen hat nichts damit zu tun, dass man sie mit einem eingespielten Partner nahezu fehlerfrei vorführen kann. Der Partner wehrt sich ja nicht dagegen, sondern „spielt mit“. Es bedeutet, sie auch gegen des Willen eines Gegners durchziehen zu können unter Berücksichti­gung der „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ (BK)

 

Ri        ist die „Transzendenz“. 

Der Übende ist in der Lage, die geraden Denklinien des Intellekts zu verlassen und ein intuitives Denken zu entwickeln, das einem Netz ähnelt.

Ein „vernetztes“ Denken heißt, dass man die einzelnen Techniken nicht mehr als isoliert von­einander stehen sieht, sondern die Gemeinsamkeiten erkennt und sich nicht nach Bewegungs­vorgaben richten muss, sondern nach den dahinter liegenden Wirkprinzipien! (BK)

 

Ehrenkodex der KSV-Trainer und Übungsleiter (BK)

Wie bei der Beschreibung der Dan-Grade und den Ausbildungsstufen zu sehen ist, ist hier schon ein deutlicher Übergang zu den geistigen Inhalten der Budo-Ausbildung zu erkennen. Auch Karate-Meister Funakoshi Gichin hat sich sehr tiefgehende Gedanken über das richtige Verhalten eines Budokas gemacht und dieses in einen Kodex von 20 Vorschriften „gegossen“ (Shoto nijukun).

Aus allen Werken der verschiedensten Kampfkunstmeister ist immer zu entnehmen, dass eine der wichtigsten Punkte im Zusammenleben der gegenseitige Respekt ist.

Da aus verständlichen Gründen eine Überprüfung der mentalen Entwicklung (sprich der geistigen Reife oder das Fortschreiten auf dem „Weg“) in einer normalen Danprüfung nicht überprüft werden kann, sollen folgende Vorschriften für Dan-Träger dazu dienen, einen Überblick darüber zu erhalten, ob derjenige nicht „nur“ die entsprechenden Kenntnisse in den geforderten Techniken aufweist, sondern auch in seiner mentalen Entwicklung voranschreitet:

 

(die nachfolgende Formulierungen gelten unabhängig vom Geschlecht)

 

  • Der aktuelle Übungsleiter (ÜL) hat die Verantwortung für das Trainingsgeschehen. Deshalb gehen von ihm allein die Erklärungen der zu übenden Techniken aus.
  • Anderen Dan-Trägern ist es untersagt, den ÜL in seinen Erklärungen zu „korrigieren“ oder zu „ergänzen“, es sei denn, auf Wunsch des ÜLs.
  • Sollte ein höher graduierter Dan-Träger mit den Erklärungen des aktuellen ÜL nicht einverstanden sein, so hat er ihm dies in einem 4-Augen-Gespräch zu übermitteln, niemals aber öffentlich vor versammelter Mannschaft (gegenseitiger Respekt)!
  • Der aktuelle ÜL bestimmt bei Bedarf evtl. erforderliche Co-Trainer. Keiner (auch kein höher graduierter Dan-Träger) erklärt sich selbst ungefragt zum Co-Trainer.
  • Nur der aktuelle ÜL bestimmt die Übungspaare und deren Wechsel.
  • Übt ein Dan-Träger mit einem niedriger graduierten Schüler, so lässt er die Ausführung der verlangten Technik zu, ohne sie durch seine überlegenen Fähigkeiten zu verhindern. Nur so kann der Bewegungsablauf korrekt eintrainiert werden.
  • Auch ein höher graduierter Dan-Träger akzeptiert jeden ihm vom aktuellen ÜL zugewie­senen Übungspartner.
  • Auch ein Dan-Träger übt die geforderte Technik, ohne unaufgefordert diese in allen möglichen Varianten abzuändern, es sei denn, der ÜL erlaubt dies.
  • Auch ein höher graduierter Dan-Träger bemüht sich, mit möglichst vielen unterschiedlichen Partnern zu üben (und nicht nur mit seinem Lieblingspartner), um seine technischen Fertigkeiten weiter zu vervollkommnen.
  • Das Üben einer verlangten Technik wird solange fortgesetzt, bis der ÜL das Kommando zur Beendigung gibt.
  • Der ÜL gibt seine Erklärungen in einem freundschaftlichen Ton ohne jede Überheblichkeit. Auch der höchste Dan-Träger hat einmal als kleiner Schüler mit dem weißen Gürtel angefangen!
  • Ein Dan-Träger beachtet die Privatsphäre der anderen und stellt sich nicht unaufgefordert zu anderen hinzu, wenn er erkennen muss, dass Themen besprochen werden, die nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind.
  • Je höher ein Kampfkunstexperte steigt, desto demütiger und bescheidener sollte er werden (er erkennt zunehmend, dass es stets Bessere gibt als ihn selbst und es wird ihm immer deutlicher, was er alles nicht weiß oder kann, d.h. er erkennt seine Grenzen).
  • Ein Dan-Träger ist „Botschafter“ des Vereins, auch wenn er nicht Mitglied des Vorstands ist. Sein Verhalten in der Öffentlichkeit spiegelt ein Bild des im Verein herrschenden Klimas wider. Deshalb tritt er auch außerhalb des Dojo bescheiden auf.
  • Ein Dan-Träger dient den meisten Schülern als Vorbild! Dies bezieht sich nicht nur auf Form und Ausführung der Techniken, sondern speziell auch auf dessen Verhalten im Dojo, aber auch im „normalen“ Leben.

 

Literatur

•      Walter Knör: „Fachübungsleiter-C Ausbildung“

•      Werner Lind: „Lexikon der Kampfkünste“

•      Werner Lind: „Budo – Der geistige Weg der Kampfkünste“

•      Markwetz, Schlösser: „Kampfkunst als Lebensweg“

•      Alexander Dolin: „Kempo, die Kunst des Kampfes“

 

Ju-Jutsu-Werte für Kinder